Wie die Spätlese aus Versehen im Rheingau erfunden wurde

Zufälle spielen ja bekanntlich in der Geschichte oft eine große Rolle und oft ist es auch so, dass etwas, das am Anfang nach einer Katastrophe aussieht sich dann plötzlich als wahres Glück herausstellt. Ein Beispiel für eine solche Geschichte ist die Erfindung der Spätlese. Heute geliebt, geschätzt und hoch gelobt entstand sie schlichtweg dadurch, dass am Johannisberg mal alles so richtig gründlich schief lief und man sich schon kurz vor einer vollständigen Katastrophe wähnte. Aber fangen wir am Anfang an mit der Geschichte:

Den Weinbau am Johannisberg im Rheingau kann man bis auf das Jahr 817 zurückverfolgen und der Legende nach war es Karl der Große höchstpersönlich, der den Weinbau an eben jenem Berg anordnete, was er angeblich deswegen tat, weil ihm beim Blick aus seiner Pfalz in Ingelheim aufgefallen war, dass der Schnee am Johannisberg deutlich früher schmolz als in der Umgebung. Wie immer bei solchen Legenden mag ein Quäntchen Wahrheit darin stecken, aber das ist ja gerade nicht unser Thema.

Seit dem 9. Jahrhundert gab es also Weinbau auf dem Johannisberg, wer auch immer ihn dort begonnen und veranlasst haben mag. Die ersten, die den Weinbau hier in größerem Stil betrieben und dem Berg letztlich auch seinen Namen gaben, waren, wie so oft in der Geschichte des Weinbaus in Deutschland, Benediktinermönche. Im Jahr 1100 gründeten sie hier ein Kloster und weihten 30 Jahre später die Klosterkirche Johannes dem Täufer, was dem berühmten Weinberg nun den Namen „Johannisberg“ einbrachte.

 

 

Johannisberg im Rheingau
Schloss Johannisberg im Rheingau – Foto: A. Kircher-Kannemann

 

Im Jahr 1716 ging der Besitz des Johannisbergs an den Fürstbischof von Fulda über, der ein noch heute hier zu bewunderndes dreiflügeliges Schloss bauen ließ. Eben dieser Besitzerwechsel war es, der für eine der wichtigsten Veränderungen im Weinbau sorgen sollte, denn es war üblich, dass man sich die Erlaubnis für den Beginn der Weinlese beim Besitzer des Weinbergs einholen musste und damit begann die glückliche Katastrophe: Im Jahr 1775 wurde ein Kurier vom Johannisberg gen Fulda ausgesendet, eine Strecke übrigens, die man in heutiger Zeit und mit einem Auto in etwa zwei Stunden Fahrzeit hinter sich bringen kann. Aus einem nicht wirklich bekannten Grund aber kam der Kurier zwar in Fulda an, aber bis er wieder am Johannisberg eintraf waren einige wertvolle Wochen vergangen, die Trauben an den Rebstöcken hatten inzwischen angefangen zu faulen und man wähnte die gesamte Ernte sei vernichtet und nicht mehr brauchbar. Der Kellermeister vom Johannisberg allerdings ließ die Trauben dennoch lesen und erfand damit die Spätlese, die von nun ab ihren Siegeszug antrat.

Sicherlich gab es auch schon vor dem Jahr 1775 Spätlesen und Winzer und Kellermeister, die die Süße zu schätzen wussten, die die Fäulnis der Trauben mit sich brachte nichts desto weniger wurde und wird das Jahr 1775 als das Jahr angesehen in dem die Spätlese „erfunden“ wurde und bis heute erinnert ein kleines Denkmal an den „Spätlese Reiter“ der für diese ungewollte Innovation im Weinbau verantwortlich war.

 

Titelbild: Der berühmte Spätlese Reiter – zu sehen auf Schloss Johannisberg im Rheingau –
Foto: A. Kircher-Kannemann

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