Dieser Beitrag „Weinjahr 1999“ erschien urspürnglich auf einem anderen Blog im Rahmen der Weinrallye #99 „1999“ und wurde nach dessen SChliessung hierher umgezogen.
„1999“ Weinjahr 1999?
1999 war ich zwar nicht mehr ganz eine „oenophile Jungfrau“ (um mal Charles Emerson Winchester den Dritten zu zitieren), aber wirklich was über Wein gewusst habe ich damals auch noch nicht. Es waren die Anfänge meines Weinlebens. Ich tourte mit diversen Winzern aus der Pfalz, aus Rheinhessen und von der Mosel über Weinfeste, lernte Weinstände aufzubauen, was damals wirklich noch ein hartes Brot war und saß abends – oder besser gesagt nachts – mit den Winzern zusammen und sog unendlich viele Informationen über Wein, Weinbau und Rebsorten in mich auf. Ich lernte und zwar ganz praktisch, was es mit dem Wein in Deutschland so auf sich hat. Ich lernte Menschen kennen, die damals eigentlich noch keiner kannte und die heute ziemlich bekannt sind. Ich lernte Mädchen kennen, die Jahre später deutsche Weinprinzessin oder gar deutsche Weinkönigin wurden. Ich lernte Fehlnoten im Wein zu schmecken und bin bis heute ein hervorragender Korkdetektor, auch wenn diese Fähigkeit in Zeiten der Schraubverschlüsse immer weniger gefragt ist. Ich lernte Trauben zu schneiden, lernte das Etikettieren von Flaschen (dazu sind wir Frauen nun mal am besten geeignet, wie man mir gleich zu Anfang in typisch chauvinistischer Manier erklärte). Ich lernte Wein an den Menschen zu bringen und wurde, wie ein Freund so schön sagte, „weinbekloppt“, eine Eigenschaft, die mich nun bis heute begleitet und die große Teile meines Lebens prägt.
Ob ich mich noch an einen Wein aus dem Jahrgang 1999 erinnern kann oder an einen Wein, den ich 1999 getrunken habe? – Nein, nicht wirklich, wenn ich ganz ehrlich bin und auch die Frage, ob ich einen „1999er“ im Keller liegen habe, muss ich leider verneinen, denn wenn ich eins im Laufe der Jahre gemerkt habe, dann, dass ich nicht die Frau für die ganz reifen Tropfen bin. Der älteste Wein, der sich zur Zeit in meinem Keller befindet ist ein 2005er Rondo von der Mosel, mit älteren Getränken kann ich leider nicht dienen.
Trotzdem gefiel mir die Idee der 99. Weinrallye, denn es geht ja nicht nur darum sich mit einem 1999er Wein zu beschäftigen, sondern auch darum ein wenig darüber nachzudenken, was in diesem Jahr so alles geschehen ist und auch darum darüber nachzudenken, was in der Zwischenzeit so alles geschehen ist und was sich alles verändert hat.
Harald Scholl schreibt in seinem Aufruf zur 99. Weinrallye: „Ein Jahr der Widersprüche, an der Ahr und in Baden soll es ein großer Jahrgang gewesen sein, an der Rhône wohl auch, ebenso in der Toskana und im Piemont. Direkte Weinthemen also zuhauf. Wer hat alles 1999 mit dem Weinsammeln angefangen? Würde mich auch interessieren. Ach ja, der Euro wurde am 1. Januar 1999 als Buchgeld eingeführt, also auch so ein 99er Geschöpf (das drei Jahre später in bar eingeführt wurde). Die Liste der Möglichkeiten über das Weinjahr 1999 und die damit verbundenen Erlebnisse zu schreiben sind endlos.“
Das Weinjahr 1999?
Also bin ich mal in die Tiefen von Wikipedia gewandert, um ein paar Erinnerungshilfen zu finden, was denn so vor 17 Jahren alles passiert ist und ich musste feststellen, dass ich mich an vieles gar nicht mehr erinnern konnte und vieles glatt in ein anderes Jahr verfrachtet hätte, wahlweise früher oder später.
1999, da war zum Beispiel der Amoklauf an der Columbine High School, Osama bin Laden bekannte sich zu den Bombenanschlägen auf die US-Botschaften in Nairobi und Daressalam; im Monat Juni, in dem wir uns mit dieser Weinrallye befinden, wurden die Nato-Luftangriffe auf die Bundesrepublik Jugoslawien eingestellt, einen Monat später starb JFK Jr. bei einem Flugzeugabsturz und Nordirland erhielt seine Autonomie zurück.
Außerdem gab es in diesem Jahr, dem letzten Jahr des alten Jahrtausends, eine totale Sonnenfinsternis, an die ich mich tatsächlich noch sehr genau erinnern kann und die Himmelsscheibe von Nebra wurde gefunden; Günther Jauch beglückt uns seither mit „Wer wird Millionär“.
Ich scrolle weiter durch die Ereignisse des Jahres 1999 und stocke: Am 23. Februar gab es die Lawinenkatastrophe von Galltür – ein Bekannter kam dabei ums Leben, so lange ist das schon her? Ich bin erstaunt, verwirrt zugleich. Als nächstes sehe ich, dass sich in diesem Jahr auch das Schwebebahnunglück in Wuppertal ereignete, das hatte ich eigentlich schon vergessen, nun erinnere ich mich wieder. Weiter lese ich von einem Erdbeben in der Türkei, Stärke 7,4 mit 18.000 Toten, das hatte ich völlig vergessen, darauf weitere Erdbeben, weitere tausende Tote, ein Zyklon, Wirbelstürme, Tornados, Flugzeugabstürze, noch ein Erdbeben in der Türkei, Erdrutsche, Orkan Lothar fordert in Europa 110 Todesopfer und das am zweiten Weihnachtsfeiertag.
Es scheint ein ganz schönes Katastrophenjahr gewesen zu sein, dieses 1999, kein Wunder wohl, dass sich bei manchen eine Art von Endzeitstimmung breitmachte.
Günther Grass erhielt übrigens 1999 den Nobelpreis für Literatur und Ärzte ohne Grenzen erhielten den Friedensnobelpreis.
Ich bin inzwischen in Erinnerungen versunken, tauche ab in den Eurovision Song Contest und stelle fest, dass ich mich doch tatsächlich an das Siegerlied erinnern kann, wofür auch immer das nun wieder ein Zeichen sein soll …
Mit dem Aufruf des Videos erklärst Du Dich einverstanden, dass deine Daten an YouTube übermittelt werden und das Du die Datenschutzerklärung gelesen hast.
Und so langsam dämmert‘s mir auch wieder, es sollte ja um Wein gehen, um Wein im Jahr 1999 oder auch aus dem Jahr 1999.
Wein …
es muss so ungefähr 1999 gewesen sein, als ich meine spezielle Liebe für Bukettrebsorten entdeckte und zwar für trocken ausgebaute Bukettweine. Trockene Muskatweine, trockene Scheureben, trockene Kerner, trockene Gewürztraminer … damals galt ich als Nerd deswegen und war froh, dass ich einen Winzer aus der Pfalz kannte, der diese Weine machte und ebenfalls als Nerd galt. Lang ist’s her, viel hat sich verändert. Trockene Buketts zu kriegen ist heute nicht mehr wirklich ein Problem, offensichtlich war ich Trendsetter (nur Spaß!).
Was wird sich wohl in den nächsten 17 Jahren so alles verändern, an was werde ich mich dann erinnern und an welche Weine? Eines jedenfalls ist ganz klar: ich werde einen 2016er einlagern und ihn dann 2023 öffnen und mich an diese Weinrallye erinnern (tollen Computerprogrammen sei Dank, die es dann hoffentlich noch geben wird), wenn ich denn dann noch auf der Erde weile und mir zuvor kein Ziegelstein auf den Kopf gefallen ist, sonst kriegen eben meine Erben Order den Wein zu trinken und dabei diesen dann schon historischen Artikel zu lesen.
In diesem Sinne: Prost! Auf die nächsten 17 Jahre und auf viele leckere Weine an die wir uns dann hoffentlich erinnern werden.