Der Duft des Weins
Wein gehört zu den wenigen Getränken, bei denen der Geruch, besser gesagt der Duft, eine ebenso wichtige Rolle spielt, wie der Geschmack. Man kann einen Wein nur dann wirklich vollständig und in seinem ganzen Volumen und seiner vollständigen Charakteristik erleben, wenn man ihn erst einmal ausreichend erschnüffelt.
Wichtig ist dies vor allem, weil unser Geschmackssinn tatsächlich ein klein wenig unterentwickelt ist: Die menschliche Zunge – oft fälschlich als Gaumen betitelt – kann nur fünf Eindrücke voneinander unterschieden: süß – salzig – sauer – bitter und scharf.
Alles andere macht die Nase! Und die ist ein recht archaisches Organ, das ständig in Bewegung ist und die Welt erschnüffelt, da unterscheiden wir uns nicht so sehr vom Hund, von der Katze oder anderen Säugetieren; nur können wir es nicht so gut wie etwa der Hund.
Bei jedem Atemzug dringen Duftmoleküle in unsere Nasen ein und werden vom Hirn verarbeitet. Der dafür zuständige Gehirnteil ist einer der ältesten überhaupt und entzieht sich völlig unserem Einfluss. Dabei wirkt er direkt auf Hypothalamus und Hypophyse, die Bereiche also, die das Hormonsystem steuern und für fast unbemerkte Reaktionen des Körpers sorgen. So beeinflussen Düfte unsere Wohlbefinden, unsere Zu- und Abneigungen und unsere Stimmungen, ohne dass wir rational auch nur den leisesten Einfluss darauf ausüben könnten.
Und zugleich sind Gerüche auch die mächtigsten Erinnerungen, die wir haben: Wer erinnert sich nicht noch genau an den Geruch von Omas Lieblingskuchen und fängt beim Gedanken daran an zu schwelgen und zu träumen?
Und darum ist auch das Riechen am Wein so wichtig! So dringen die Aromen tief in unsere Erinnerung ein und lassen uns auf eine Reise gehen. Ganz ähnlich wie bei der heute so beliebten Aromatherapie: riechen Sie doch mal eine Weile an einem Lavendelzweig und spüren Sie wie dieser Duft Sie beruhigt und sich positiv auf ihr Nervensystem auswirkt.
Um also ein wenig mehr zum „Weinprofi“ zu werden, sollten Sie damit anfangen Ihre Nase zu trainieren und viel und ausreichend riechen. Fangen Sie doch mal bei Ihrem Essen damit an, bei den Gewürzen zum Beispiel oder bei den Kräutern, denn auch das sind Aromen, die im Wein vorkommen können. Außerdem enthält Wein florale Komponenten, also nichts wie los ins nächste Gartencenter und mal ausgiebig an den Blumen geschnüffelt.
Auch Obst und Gemüse, so etwa Äpfel, Aprikosen, Pfirsiche, Melonen, Paprika und Bananen entwickeln Düfte, die sich im Wein wiederfinden lassen.
Bäckereien und Konditoreien sind ein wahres Eldorado, um Gerüche aufzunehmen, sie sich auch in manchen Weinen wiederfinden lassen, das trifft vor allem auf Vanille zu, aber auch auf Zimt, Honig und Lebkuchengewürze.
Insgesamt aber sollte man einfach immer und überall die Nase schulen und Gerüche bewusst aufnehmen. Schnell werden Sie die ersten Erfolge wahrnehmen und plötzlich Aromen im Wein riechen, die Sie vorher nie wahrgenommen haben. Probieren Sie es einfach einmal!
Das Erstaunliche dabei ist, dass diese riesige Palette an Aromen, die man im Wein riechen kann, von nicht einmal einem Gramm (pro Liter) der Inhaltsstoffe herrührt. Dabei besteht ein Liter Wein aus Wasser und 20 bis 30 Gramm diverser anderer Substanzen, die für den Geschmack sorgen. Aber gerade dieses eine kleine Gramm ist es, das Wein so einzigartig und facettenreich macht und seine Sonderstellung im Reich der Getränke begründet. Es sind Aldehyde, Ketone und Ester, die für den Duft des Weines verantwortlich sind, genauer gesagt sind es nur die flüchtigen unter ihnen, die uns in die Nase steigen. Gut 800 verschiedene solcher Verbindungen sind inzwischen wissenschaftlich nachgewiesen. Man kann sie chemisch exakt bestimmen. Für den starken Duft nach Pfeffer etwa, der z.B. verschiedene Cabernet-Weine kennzeichnet, ist Methoxy-2-isobutyl-3-pyrazin verantwortlich. Wenn Sie nicht gerade Chemiker sind, dann ist dieses Wissen eher unerheblich, aber immerhin können Sie sich dieses Wortmonstrum merken und auf der nächsten Party mit unnützem Wissen glänzen.
Insgesamt 4.000 verschiedene Düfte kann die menschliche Nase wahrnehmen, also: Nichts wie los!
Um übrigens den Duft des Weins noch besser erriechen zu können und wahrzunehmen, sollte man das Glas ein wenig kreisen lassen und so die Sauerstoffzufuhr erhöhen (dabei aber bitte das Glas am Stil anfassen und nicht am Kelch). Machen Sie doch auch mal das Experiment den Wein direkt nach dem Öffnen zu riechen und dann bei jedem Schluck neu. Es ist spannend und faszinierend wahrzunehmen, wie er sich mit zunehmender Temperatur und mit mehr Sauerstoffeinbindung verändert.
Übrigens: Ist der Wein zu kalt, dann riechen sie gar nichts! Also bitte auch Weißweine nicht auf zu sehr herunterkühlen, dann können Sie auch Wasser trinken.
Der Duft des Weines: Das riecht falsch!
Das Schulen der Nase hat noch einen weiteren Vorteil: Man kann dadurch auch die Aromen im Wein wahrnehmen, die dort eigentlich nicht hinein gehören und die durch eine falsche Behandlung bei der Weinproduktion oder der Lagerung entstanden sind. Unter diese „Fehlnoten“ fällt zum Beispiel ein grasig-säuerlicher Ton, der anzeigt, dass die Trauben nicht wirklich reif waren, als sie gelesen wurden; ein Geruch und Geschmack nach braunen, angelaufenen Äpfeln ist auch nicht besonders schön, gehört auch nicht in einen guten Wein und zeigt an, dass während der Produktion des Weins zu viel Sauerstoff an die Flüssigkeit gelangt ist.
Etwas, das man garantiert auch nicht im Wein riechen möchte ist der Duft (oder sollte man besser sagen: Gestank) von Schwefel oder Streichhölzern. Dieser bildet sich, wenn dem Wein zu viel Schwefel zugesetzt wurde. Ebenfalls in die Kategorie: Das braucht man nicht, fällt ein muffiger und modriger Geruch, der sich meist auf einen fehlerhaften Korken zurückführen lässt. Riecht der Wein matt und stumpf und erinnert an den Geruch von Sherry, dann haben hier die Alterungsaromen ganze Arbeit geleistet.
Der zumindest früher häufigste Weinfehler war der „Korkfehler“, in extremen Fällen stieg sofort ein Geruch von nasser durchgeweichter Pappe und Schimmel in die Nase, der auch, je länger der Wein Sauerstoff ausgesetzt war, schlimmer wurde. Heute haben viele Weine Schraubverschlüsse (übrigens auch wirklich hochwertige Weine), so dass dem geneigten Trinker zumindest diese Fehlnote erspart bleibt.
Anders sieht es aus mit der Oxidation: Gelangt zu viel Sauerstoff in den Wein, weil die Flasche z.B. nicht dicht verschlossen ist, dann altert der Wein deutlich schneller. Erkennen kann man dies bei Weißwein in besonders ausgeprägten Fällen bereits an der Farbe, die einen tiefen goldig-kupfernen Ton annimmt, Rotwein hingegen bekommt im Regelfall einen Braunton. Im Geruch äußert sich die Oxidation vor allem dadurch, dass eine Essignote auftaucht oder auch ein Geruch nach altem Brot.
Der Duft des Weins: Primäraromen
Die Aromen des Weins lassen sich in Primär-, Sekundär- und Tertiäraromen aufteilen. Als Primäraromen bezeichnet man dabei die Aromen, die für die jeweilige Rebsorte typisch sind und die bereits in der Beere bzw. Weintraube vorhanden sind, darunter fallen die blumigen, fruchtigen und würzigen Noten.
Der Duft des Weins: Sekundäraromen
Unter den Sekundäraromen des Weins versteht man die Noten, die erst durch die Gärung, also einen chemischen Prozess, entstehen. Auch dies sind zumeist fruchtige und würzige Aromen.
Der Duft des Weins: Tertiäraromen
Die Alterung besorgt die Tertiäraromen. Diese Noten entstehen bereits im Fass und später dann durch die Reifung in der Flasche. Ihre Basis sind die für die fruchtigen und würzigen Noten verantwortlichen Moleküle, die sich im Lauf der Zeit aufspalten und neue Verbindungen eingehen.
Die Duftfamilien
Die Düfte, die mit Wein verbunden werden, können klassischerweise verschiedenen Duftfamilien zugeordnet werden. In den nachfolgenden Grafiken können Sie die Zuordnung zu den einzelnen Duftfamilien sehen:
Und als letztes folgt die Gruppe der diversen Aromen, die aus allen möglichen Bereichen stammen:
Düfte haben Farben
Düften wird, nicht nur in der Weinsprache, eine charakteristische Farbe zugeordnet, die dann auch als Hilfe dienen kann den Wein als solchen zu beschreiben. Einige Beispiele dafür finden Sie in der nachfolgenden Tabelle: