Weinrallye #91 Geschmack ist nicht alles oder Ich bin beeinflussbarer als ich denke

Dieser Beitrag zu “Wein und Geschmack” wurde ursprünglich als Beitrag zur Weinrallye #91 “Geschmack ist nicht alles” verfasst und auf einem anderen, inzwischen geschlossenen Blog, veröffentlicht. Daher wurde der Artikel n un auf dieses neue Blog “Weingeschichte-n” umgezogen.

Wein und Geschmack – Ich bin beeinflussbar

Man nimmt sich ja immer vor sich möglichst wenig beeinflussen zu lassen und sich zu allem eine eigene Meinung zu bilden, nicht wie ein Lemming einfach mitzulaufen oder ungefragt einfach die Meinung anderer zu übernehmen oder auch nicht hungrig in den Supermarkt zu gehen, weil man genau weiß, dass dann der Hunger den Einkauf steuert und nicht das Hirn. So geht es mir auch und doch muss ich immer wieder feststellen, dass ich doch beeinflussbarer bin, als ich denke, gerade beim Thema Wein.

Wie oft hatte ich schon das Erlebnis, dass mir am ersten Tag eines Weinfestes ein Wein richtig gut schmeckte und ich am vierten Tag da stand und mich fragte, was mich denn da geritten hat. Nun gut, jetzt könnte man sagen, am ersten Tag sei die Flasche frisch geöffnet gewesen und gut gekühlt, am vierten Tag vielleicht nicht mehr. Das würde dann lediglich bedeuten, dass der Wein eben gleich getrunken werden sollte, um gut zu schmecken, hieße aber noch nicht, dass ich mich von irgendetwas habe beeinflussen lassen.

Leider ist es selten so einfach, wie ich immer wieder auf einer bestimmten Weinmesse in einem großen Hotel feststelle: Ich weiß inzwischen schon nicht mehr wie oft es mir passiert ist, dass ich auf dieser Weinmesse einen Wein probiert habe, diesen auch richtig gut fand und dann zuhause auf der Couch nur noch dachte: Was ist das denn?

Ich habe lange darüber nachgedacht was diese Phänomen ausmacht und mit verschiedenen anderen Leuten gesprochen, die auch auf diese Weinmesse gehen, auch mit Winzern und siehe da: Viele hatten genau dieses Problem. Anscheinend sind es die speziellen Gerüche in diesem Kellergeschoss, versehen mit einer dicken wolligen Auslegware, das Kunstlicht und diverse andere Faktoren, die die Sensorik stören und gegen Nachmittag, wenn es dann auch richtig voll wird, quasi völlig in die Irre leiten.

Wie extrem solche Beeinflussungen sein können, habe ich bereits vor einigen Jahren auf einer Rheinland-Pfalz Messe festgestellt. Dort hatte man ein schwarzes Zelt aufgestellt; in diesem Zelt bekam man vier Weine zur Probe, zunächst bei ganz normalem Licht, dann bei blauem, rotem, weißem und grünem. Um eine Beeinflussung durch die Farbe des Weins auszuschließen, wurden die Weine in schwarze Gläser gefüllt. Aufgabe war es nun die Weine zu beurteilen, nach Frucht, Säure, Süße, Bitterkeit und Aromatik. Ich muss jetzt wohl nicht sagen, wie unterschiedlich ein und derselbe Wein bei verschiedenen Lichtfarben wirkt, mal findet man ihn sauer, dann wieder eher süßlich, mal mag man ihn ganz und gar nicht, dann wieder findet man ihn eigentlich ganz in Ordnung.

Und das ist nur das Ergebnis bei einer Beeinflussung durch Licht. Dazu rechnen muss man jetzt noch die Stimmung in der man gerade ist, dann die Gerüche der Umgebung, den Geschmack den man gerade noch vom Essen auf der Zunge hat, die Freundlichkeit des Winzers, den Preis des Weins, den Namen, den Wein und Weingut haben und einiges mehr …

Chardonnay der Weingüter Kiefer und Dorst
Meine liebsten Chardonnays – Foto: A. Kircher-Kannemann

Wein und Geschmack – alles ganz klar, oder?

Klar ist damit eins: Geschmack ist nicht nur von der Tagesform abhängig, sondern auch von vielen äußeren Faktoren, vielfach von Faktoren, die wir nicht beeinflussen können (wie zum Beispiel die Frau mit dem extrem starken süßlichen Parfüm, die bei der Weinprobe gerade neben uns steht), die aber sehr wohl uns beeinflussen.

Wenn ich aus diesen Erfahrungen eine Lehre gezogen habe, dann die, immer nur zwei Flaschen von einem Wein mitzunehmen, der mir im ersten Moment gefällt. Die probiere ich dann gemütlich zuhause auf der Couch und wenn mir die beiden Fläschchen da immer noch schmecken, dann kann geordert werden, vorher nicht.

 

Anmerkung:

Falls jemand es genauer wissen möchte, denn es ist schon einige Jahre her, dass an der Universität in Mainz genau dieses Experiment mit der Wirkung von farbigem Licht auf die Sensorik in wissenschaftlichem Rahmen unternommen wurde. Die Ergebnisse dieser Studie finden sich hier und zum Herunterladen in folgender PDF: http://www.staff.uni-mainz.de/oberfeld/downloads/LM0110_Oberfeld-Twistel.pdf

 

 

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