Der Artikel „Weinetiketten und Etiketten Trinker“ erschien ursprünglich auf einem inzwischen geschlossenen Blog im Rahmen der Weinrallye #105 „Etikettentrinken“ und wurde nun hierher umgezogen.
Etikettentrinken oder Etiketten Trinker
„Du trinkst ja nicht das Etikett, sondern den Wein!“
Das war, als ich vor über 20 Jahren begann mich mit dem Thema Wein mal etwas genauer zu beschäftigen, so ziemlich der erste Satz, den man mir mit auf den Weg gab; denn in meinem damals noch völlig unbedarften und „jugendlichen“ Leichtsinn hatte ich mich tatsächlich ein paarmal erdreistet etwas über die Flaschenetiketten zu äußern (meist nicht wirklich Nettes, wie ich gestehen muss).
Wenn man sich an die typischen Etiketten der frühen Neunziger zurückerinnert, dann konnte ein Winzer damals wohl auch kaum anders reagieren, denn innovativ waren die nur in den seltensten Fällen und hübsch … naja, über Geschmack lässt sich ja bekanntlich nicht (oder doch trefflich) streiten.
Seither ist viel passiert im unendlich wirkenden Universum der Weinflaschenetiketten, aber die Lehre, die man mir einstmals erteilt hat sitzt noch immer tief. Ich liebe es noch heute den klassischen „Etikettentrinker“, der oftmals einen Wein wirklich nur deswegen kauft und toll findet, weil ein bestimmter Name darauf steht, ein wenig hinters Licht zu führen. Nur allzu gerne lade ich diese Sorte Weintrinker zu einer Blindverkostung ein. Am liebsten erinnere ich mich da an einen Abend mit zwei guten Bekannten, die ja Moselweine total furchtbar fanden und niemals getrunken hätten und schon gar keine Rotweine von der Mosel, das wäre ja gruselig, sagten sie. Sie bestellten immer nur bei einem namhaften Händler die von diesem empfohlenen (super teuren) Franzosen, das seien ja, so bekräftigten sie mehrfach, die einzig trinkbaren Rotweine.
Wer mich kennt, weiß, dass tief in mir ein kleines Teufelchen lebt und eben dieses Teufelchen bekommt zeitweilig die Oberhand und muss dann einfach raus und böse Dinge tun. So auch in diesem Fall: Ich lud also zu einem gemütlichen Abend ein mit kleiner Weinverkostung. Auf den Tisch, bzw. in die Gläser kamen dabei vier verschiedene Rotweine: ein teurer Franzose, ein nicht so teurer Spätburgunder von der Ahr, ein richtig fetter Rotwein aus Württemberg (nein, kein Lemberger oder Trollinger) und ein Rotwein von der Mosel. Am Ende des Abends, das Geheimnis war noch nicht gelüftet, hatten meine beiden Gäste das dringende Bedürfnis unbedingt ein paar Fläschchen zu bestellen und baten mich um die Namen der Weine und Winzer bzw. des Händlers bei dem ich diesen leckeren Wein geordert hatte. Ich nehme an, Sie erraten es schon: es war nicht der teure Franzose, der so gut gemundet hatte, es waren der württembergische und der Moselrotwein. An den Gesichtsausdruck meiner Gäste erinnere ich mich immer noch gerne und breche noch heute in Gelächter aus, wenn ich daran zurückdenke, wie sie schauten, als ich ihnen eröffnete, dass einer ihrer neuen „Lieblingsweine“ ausgerechnet ein Rotwein von der Mosel war.
Das Beispiel zeigt ganz klar, dass man sich mit Etikettentrinken viele schöne Erlebnisse und vor allem viele schöne Weine verbauen kann.
Etiketten Trinker und Weinetiketten
Aber, ich sagte es schon: es ist viel passiert im unendlich wirkenden Universum der Weinflaschenetiketten und so muss ich gestehen, dass sich in den letzten Jahren ganz andere Aussagen bzgl. Weinflaschenetiketten auch in Winzerkreisen häufen; so etwa die Aussage, dass ein Winzer, der mit Liebe, Freude und Begeisterung an seinen Weinen arbeite, natürlich auch ein schönes Etikett für seine Weine aussuche, weil eben auch das Etikett und die Flasche mit zum Gesamteindruck des Weines gehörten. Und in der Tat hat in den letzten Jahren schon fast ein Hype der Weinflaschenetiketten stattgefunden. Immer ausgefallener, immer innovativer, immer origineller und seit einiger Zeit immer minimalistischer sollen sie werden. Kein Winzer, der etwas auf sich hält hat heute noch die „Standardetiketten“, die in den Neunzigerjahren das Auge durchaus auch manchmal beleidigten.
Und ja, ich muss gestehen, auch ich kaufe so manchen Wein einzig und allein nur wegen des Etiketts. Manchmal habe ich damit Glück, wie etwa im Fall der Jubiläumsedition des Würzburger Bürgerspitals, da war nicht nur das Etikett einfach witzig und hat Spaß gemacht, sondern eben auch der Wein, der sich dahinter verbarg. manchmal allerdings geht es auch schief (Beispiele hierfür führe ich lieber nicht an, denn ich mag keine öffentlichen Verrisse) und am Ende bleibt einzig ein nettes Etikett übrig, aber das kann dann ja noch immer als Fotofüllsel auf dem Blog gut sein.
Kurz und gut: Ich hege noch immer eine Abneigung gegen dogmatische Etiketten Trinker, die das Etikett einer Weinflasche quasi als Statussymbol ansehen, aber ich gestehe, dass ich es auch sehr zu schätzen weiß, dass sich in den letzten Jahrzehnten auf dem Markt der Weinetiketten viel bewegt hat und ich inzwischen in meinem Weinkeller durchaus Stunden damit verbringen kann mir Weinetiketten anzuschauen und mich dabei zu fühlen wie in einer Galerie.
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