Weinrallye #111 – Weingeschichte-n

Dieser Beitrag “Weingeschichte-n – Irgendwie eine Liebesgeschichte” erschien ursprünglich auf einem anderen Blog und wurde nach dessen Schliessung hierhin umgezogen.

Irgendwie eine Liebesgeschichte

Ich liebe Wein und ich liebe Weingeschichte-n.

Ich bin Historikerin und wenn ich ehrlich bin, dann wollte ich auch nie etwas anderes werden. Außerdem schreibe ich gerne. Das tue ich seitdem ich schreiben kann. Am liebsten schreibe ich gefundene Geschichten auf; Geschichten über Menschen oder kuriose Ereignisse am allerliebsten. Und wenn man dann noch, so wie ich, Wein liebt, dann sind es unendlich viele Weingeschichte-n, die man findet oder von denen man gefunden wird und die danach schreien aufgeschrieben und erzählt zu werden.

In den über 20 Jahren, die es nun her ist, seitdem ich eigentlich wie die Jungfrau zum Kind zum Wein fand, sind es unzählige Geschichten, die ich gefunden habe. Geschichten, die ich erlebt habe, die mich geprägt, zum Lachen und manchmal auch zum Weinen gebracht haben. Unzählige Geschichten, die irgendwie mit Wein verknüpft sind, ohne dass der Wein gleich der Hauptakteur in ihnen wäre. Und doch wären diese Geschichten wohl alle andere, wenn nicht der Wein eine Rolle in ihnen spielen würde.

Wein, da kommt wieder die Historikerin in mir hoch, ist vor allem Kulturgeschichte. Im Laufe der Jahrtausende hat der Wein so unsagbar viele Geschichten geschrieben, dass man gar nicht weiß, wo man mit dem Erzählen anfangen soll.

Abtei Sankt Hildegard, eigentlich Kloster Eibingen – Foto: A. Kircher-Kannemann

Weingeschichte

Da sind zum Beispiel die Römer, jene Menschen, die den Wein einst vor über 2.000 Jahren nach Deutschland brachten und hier überall ihre Spuren hinterließen, so etwa in Braunberg an der Mosel, wo sich heute eine in Teilen originale Römische Weinkelter befindet, die man besichtigen kann und die sogar regelmäßig noch dazu genutzt wird Wein herzustellen.

Auch in alten römischen Städten wie Mainz oder Trier ist der Wein verbunden mit der römischen Geschichte allgegenwärtig und man begegnet ihm auf Schritt und Tritt.

Und dann sind da die Klöster. Sie, die irgendwann die Weinbereitung und den Weinanbau übernahmen. Irgendwie auch klar, man brauchte ja Messwein (ein willkommener Vorwand für jeden genussfreudigen Mönch 😉). Blickt man zum Beispiel in den Rheingau, dann findet man sie noch diese Klöster, die auch Weinbau betreiben. Eines von ihnen ist das Kloster der Heiligen Hildegard.

Neben den Klöstern gibt es auch die zahlreichen Burgen und Schlösser um die herum Wein angebaut wurde. Wer etwa kann sich den Drachenfels und seine Burg ohne Weinberge zu Füssen vorstellen? Jene letzten zarten Überreste von Weinbau in Nordrhein-Westfalen?

Bekannter noch ist das Schloss Johannisberg, ehemals ein Kloster wo schon Karl der Große der Legende nach Wein anbauen ließ. Dann war das Schloss auf dem Johannisberg die Sommerresidenz des Fuldaer Fürstabts und später dann gehörte es dem österreichischen Außenminister Klemens von Metternich. Gerade hier am Johannisberg wurden viele Weingeschichten geschrieben. Die bekannteste, wichtigste und prägendste ist wohl die der aus Versehen erfundenen Spätlese, die den deutschen Weinbau bis heute verändert hat.

Natürlich gibt es auch genau hier den berühmten „Goetheblick“. Jener Fleck an dem heute eine Bank steht und der einst die Lieblingsaussicht dieses weinliebhabenden Dichters gewesen sein soll.

Oder ach das berühmte Schloss Sanssouci, das ohne seine Weinberge ein ganz anderes Gesicht hätte.

Wenden wir uns südwärts, dann sind da die Spital-Weingüter. es sind ganz besondere Formen der Weingüter, denn sie dienten einstmals und durchaus auch bis heute sozialen Zwecken. Julius-Spital vor allem; heute das zweitgrößte Weingut Deutschlands; hervorgegangen aus einer Gründung des Bischofs Julius Echter von Würzburg im Jahr 1576. Es war ein Armen- und Krankenhaus, das Julius Echter hier errichten ließ und dessen Unterhalt gewährleistet werden sollte durch Grundbesitz, Äcker, Wälder und vor allem Weinberge. Im Fall des Juliusspitals hat ein solches Stiftungsweingut eine der berühmtesten Weinbergslagen der Welt hervorgebracht: den „Würzburger Stein“, den vor allem Goethe so sehr liebte.

Perkeo
Historische Postkarte mit Darstellung des Perkeo – 1904

Weingeschichte-n aus Heidelberg

Von hier aus ein Stück weiter nördlich liegt das Werk eines Kurfürsten im Museum, respektive im Schloss, noch genauer im Heidelberger Schloss: es ist das „Große Fass“. Dieses Fass hat durchaus Geschichte und Geschichten geschrieben und ist inzwischen das vierte seiner Art. Das erste stammte von Johann Casimir und wurde 1591 gebaut, das zweite dann gut 70 Jahre später 1664 von Karl Ludwig, gut 60 Jahre später ließ sich auch Karl Philipp nicht lumpen und gab ebenfalls ein Riesenfass in Auftrag. Das gute Stück, das wir heute bewundern können stammt vom Kurfürsten Karl Theodor, jenem armen pfälzischen Kurfürsten, der dank eines Erbes wiederwillig nach München umsiedeln musste. Den Pfälzern hinterließ er dieses 1751 gebaute Fass. Die schönste Geschichte, die sich um dieses Fass rankt ist wohl die des Fasswächters Perkeo. Der Inbegriff des Weintrinkers. Er war Hofnarr des Kurfürsten Karl Philipp, der hatte ihn aus Tirol mitgebracht und gefragt, ob er den kompletten Inhalt dieses Fasses austrinken könne, der Hofnarr antwortete „Perché no? (Warum nicht?)“ und so hatte er seinen Namen.

Victor Hugo schrieb 1840 nach einem Besuch des Heidelberger Schlosses:

„Wenn man in dem Schatten des großen Fasses dahingeht, bemerkt man plötzlich hinter den stützenden Bohlen eine eigenartige Gestalt aus Holz, auf die eine Öffnung in der Mauer einen fahlen Lichtschimmer fallen lässt. Man könnte sagen, es ist ein kleiner, lustiger Alter, grotesk aufgeputzt. […] Der kleine Alte ist ein Hofnarr […] Er war der Hofnarr des Pfalzgrafen Karl Philipp; Perkeo war sein Name. Er maß drei Fuß sechs Zoll, wie sein Standbild, unter dem sein Name steht. Täglich trank er fünfzehn doppelte Flaschen Rheinwein. Darin lag seine Stärke. Er brachte um 1710 etwa den Kurfürsten von Bayern und den Kaiser von Deutschland, diese Schatten, die damals hier vorüberzogen, viel zum Lachen. Eines Tages, als mehrere fremde Fürsten beim Pfalzgrafen waren, maß man Perkeo an einem jener „langen Kerls“ Friedrich Wilhelms I., Königs von Preußen, die in ihren Stiefeln mit hohen Absätzen und den hohen Helmen die Stufen der Paläste rückwärts hinuntergehen mussten. Der Narr reichte kaum über den Stiefel der Grenadiere. Das rief ein großes Gelächter hervor, berichtet ein zeitgenössischer Erzähler. Arme Fürsten einer altersschwachen Zeit, die sich mit Zwergen und Riesen befassten und die Menschen darüber vergaßen! Wenn Perkeo seine fünfzehn Flaschen nicht getrunken hatte, peitschte man ihn aus.“[1]

Sogar ein Gedicht über den kleinen Weinliebhaber, der das Fass bewacht gibt es.

Spätlese Reiter Schloss Johannisberg Rheingau
Der berühmte Spätlese Reiter – zu sehen auf Schloss Johannisberg im Rheingau –
Foto: A. Kircher-Kannemann

Weingeschichte-n und Menschen

Und wo wir gerade bei Menschen sind, die in Verbindung mit Wein Geschichte-n – also Weingeschichte-n im doppelten Sinn, schrieben, dann dürfen wir natürlich auch jenen französischen Mönch nicht vergessen. Den berühmten Pierre Pérignon, besser bekannt als Dom Pérignon. Jener Mönch des Benediktinerordens, der uns den Wein in prickelnder Form bescherte und der als Cellerar der Abtei Hautvillers tätig war. Übrigens verdanken wir ihm auch die Kunst des „Blanc de Noirs“ und die Assemblage.

Vergessen sollten wir auch jene Witwe nicht, die bis heute mit ihrem Namen für eine der berühmtesten Versionen jenes prickelnden Getränks steht: Die Witwe Clicquot oder auch Veuve Clicquot, die eigentlich Barbe-Nicole Cliquot-Ponsardin hieß und die als Witwe des Weinhändlers Francois Clicquot das Unternehmen zu einem Mythos machte.

Ganze Ortschaften, ganze Städte sind bis heute nicht denkbar ohne Wein und Weingeschichte-n. Vielerorts beherrscht der Weinbau die Kulturlandschaft. Es gäbe sie nicht, gäbe es den Weinbau nicht. Bis heute schreibt er hier Geschichten und Geschichte.

Aber es sind nicht nur diese großen und bekannten Geschichten, die der Wein geschrieben hat und weiterhin schreibt. Es sind vor allem viele kleine alltägliche Geschichten. Geschichten, die nie Eingang finden werden in irgendein Geschichtsbuch und die doch so entscheidend sind. Sie erzählen von Menschen, die ihr Leben dem Wein verschrieben haben oder deren Leben vom Wein beeinflusst wurde.

Das alles klingt wie eine Liebeserklärung und irgendwie ist es das auch.

Sie gilt vor allem den Menschen, den Freunden, die ich ohne dieses einzigartige Getränk – Wein nie kennengelernt hätte. Ihnen sei diese Weingeschichte gewidmet.

Riesling am Schloss Johannisberg Rheingau
Die Riesling-Weinberge am Schloss Johannisberg im Rheingau
Foto: A. Kircher-Kannemann

 

[1] Zitiert nach Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Perkeo.

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